Eineinhalb Jahre lang hat Josef D. (Name geändert) auf dem Boden gekocht. Nach dem Bezug seiner Gemeindewohnung im 11. Bezirk sparte sich der zuvor Wohnungslose zwar nach und nach das Geld für ein Sofa, eine Kommode und einen kleinen Tisch zusammen, für eine Küche reichte es aber nicht.
Im Forum Obdach Wien, in dem ehemals obdach- und wohnungslose Menschen zusammenkommen, war Josef D. mit diesem Problem nicht allein. Das brachte einen Teil der Gruppe auf eine innovative Idee: Gemeinsam mit dem Designer Klemens Schillinger und der Architektin Eldine Heep wurde dort die Wiener Kuchl entwickelt – unterstützt vom Museum für angewandte Kunst und Hunger auf Kunst und Kultur im Rahmen der Projektschiene Kultur-Transfair (ermöglicht durch das mehrWERT Sponsoringprogramm der Erste Bank).
Die Materialien für die ebenso kompakte wie funktionale Kleinküche, die aus zwei Modulen besteht, sind in jedem Baumarkt erhältlich und kosten maximal 220 Euro. Die Spüle, mit der etwa Gemeindewohnungen standardmäßig ausgestattet werden, lässt sich darin integrieren. Die Materialien können mit einer Verleih-Rodel in den Öffis nach Hause transportiert werden. Außer einem Akkuschrauber braucht es für den Aufbau kein Werkzeug.
Josef D. ist nun stolzer Besitzer eines der ersten Exemplare, mittlerweile ist die Wiener Kuchl serienreif: Die Broschüre und das Video mit der Bauanleitung sind auf der Website von Obdach Wien frei verfügbar. Denn: Die Projektbeteiligten möchten mit der Wiener Kuchl auch andere Menschen mit kleinem Börserl unterstützen.
Bei der Jury der Sozialmarie kam das Konzept bestens an: Als einziges österreichisches Projekt unter den insgesamt 249 Einreichungen kam die Wiener Kuchl mit dem 3. Preis aufs Stockerl. „Die Wiener Kuchl ist perfekt und umfassend der Realität von Menschen angepasst, die mit geringen Ressourcen in eine Gemeindewohnung ziehen. Jede Frage ist beantwortet: der einfache Zugang zu Material und Werkzeug, der flexible Nachbau, der leichte Austausch von Einzelteilen“, heißt es in der Begründung.
Dazu Lena Kauer, die als Sozialarbeiterin bei Forum Obdach Wien tätig ist: „Die Vernetzung und gegenseitige Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenslagen wird in der Sozialarbeit immer wichtiger. Die Verleihung der SozialMarie bestätigt uns darin, dass die Wiener Kuchl als Modellvorgabe für die Entwicklung partizipativer Prozesse dienen kann, bei denen Betroffene mit Unterstützung von multiprofessionellen Teams selbst nachhaltige Lösungen für ihre Problemlagen entwickeln und damit innovative soziale Arbeit mitgestalten oder bestenfalls langfristig institutionalisieren können.“
Die Wiener Kuchl ist ein Sozialprojekt von Obdach Wien. Ehemals obdachlose und wohnungslose Menschen haben eine günstige Kleinküche entwickelt. weiter