Ehemals obdach- und wohnungslose Menschen unterstützen als Peers zusammen mit SozialarbeiterInnen und BetreuerInnen akut obdach- und wohnungslose Menschen. Ein erfolgreicher Ansatz.
Franz war Geschäftsmann, bevor er obdachlos wurde und seinen Weg zurück in ein normales Leben begann. Heute arbeitet der Absolvent des ersten Zertifikatslehrgangs „Peers in der Wohnungslosenhilfe“ bei Obdach Wien und baut als Experte Brücken zwischen NutzerInnen der Wiener Wohnungslosenhilfe, SozialarbeiterInnen und den entsprechenden Hilfsangeboten.
Er erzählt aus seinem Alltag: „An einem regnerischen Tag trank ich in einem Tageszentrum einen Tee. Ein älterer obdachloser Mann setzte sich neben mich. Über das schlechte Wetter kamen wir ins Gespräch, dann taute er richtig auf, erzählte von seiner Lage. Daraufhin habe ich von meiner obdachlosen Zeit erzählt, von der Verzweiflung, aber auch davon, dass es einen Weg hinaus gibt. Das Knüpfen von Kontakten und Herstellen von Vertrauen geht für mich leicht, denn ich kann ehrlich sagen: Wir teilen diese Erfahrung und ich verstehe die Situation, in der du dich befindest“.
Aus Erfahrungen lernen
Der Ansatz, gelebtes Wissen weiterzugeben, hilft dabei, obdach- und wohnungslose Menschen an Angebote der Wohnungslosenhilfe heranzuführen.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Peers obdach- und wohnungslose Menschen leichter erreichen. Sie haben dasselbe erlebt und können dadurch offener und ohne Scham miteinander sprechen. Das erleichtert den Zugang ungemein. Außerdem bieten wir Peers einen Einstieg in die Arbeitswelt. Peer-Arbeit bei Obdach Wien ist so eine Win-Win-Situation und ein Qualitätsgewinn für alle Beteiligten“, so Geschäftsführerin Monika Wintersberger-Montorio.
Sabine Graf, Bereichsleiterin, ergänzt: „Wir alle wollen uns verstanden fühlen. Jemand, der in der gleichen Lage war, kann an niederschwellige Angebote heranführen, versteht, wie es ist, nach einer Phase der Obdachlosigkeit in einer Wohnung anzukommen, kann Gesellschaft bieten und so Vereinsamung entgegenwirken. Tipps zur Haushaltsführung, Begleitungen zu einem Arzttermin, zum AMS oder zur Schuldnerberatung, die erneute Kontaktaufnahme zu Familie und Freunden, all das können Peers bieten.“
Als Peer unterstützte Franz den obdachlosen Herren weiter, brachte ihn in eine Notschlafstelle, begleitete ihn zum AMS und weg vom Alkohol. Der ehemals obdachlose Mann ist nun seit fast einem Jahr trocken, lebt in einer betreuten Unterkunft und will vielleicht auch Peer werden. „Einer meiner schönsten Erfolgsmomente“, fasst Franz zusammen.
Über Peers in der Wohnungslosenhilfe
Der Zertifikats-Kurs „Peers in der Wohnungslosenhilfe“ wurde mit dem FSW entwickelt und wird durch eine Projektförderung des FSW finanziert. Die AbsolventInnen ergänzen die Teams der Wiener Wohnungslosenhilfe. Für die nächsten Monate ist geplant, mehr Peers bei Obdach Wien anzustellen und als langfristige MitarbeiterInnen zu gewinnen. Mehr über und von Franz können Sie im Ö1-Interview hören.