Teamleiterin Babsy Trsek und die MitarbeiterInnen im Obdach Wurlitzergasse trotzen gemeinsam mit den BewohnerInnen des Chancenhauses der Coronakrise. Im Interview erzählt sie von den Veränderungen und ganz besonderen Überraschungen, die sie zur Zeit erlebt.
Im Obdach Wurlitzergasse gelten dieselben Beschränkungen wie anderswo auch – was bedeutet das in einem Haus, in dem 150 Menschen zusammenleben?
Unsere BewohnerInnen halten sich zum Großteil sehr diszipliniert an die Ausgangsbeschränkungen und bleiben auf ihren Zimmern, es sei denn, sie haben einen triftigen Grund diese zu verlassen. Stiegenhäuser, Gänge, Sanitär- und Büroräumlichkeiten werden derzeit noch gründlicher und häufiger als sonst gereinigt und desinfiziert – dabei greifen unserem eigenen Reinigungsteam zwei Asylwerber aus dem Obdach Favorita unter die Arme. So ist es uns bis jetzt gemeinsam gelungen, Infektionen im Haus zu vermeiden.
Für die SozialarbeiterInnen und BetreuerInnen hat sich sicher auch einiges verändert?
Ja, die wesentlichste Umstellung ist, dass wir die Besetzung in unseren Teams reduziert haben, um Kontakte untereinander zu minimieren und so das Ansteckungsrisiko zu verringern. Auch die sozialarbeiterische Betreuung haben wir eingeschränkt, weil wir persönliche Kontakte soweit wie möglich vermeiden müssen. Per Telefon sind wir aber wie gewohnt für die BewohnerInnen da! Das Team hat sich sehr rasch auf die neue Situation eingestellt und löst auch unter diesen Bedingungen alle Herausforderungen mit Engagement und Tatkraft.
Wie geht es den BewohnerInnen, die sich ja ohnehin in einer schwierigen Situation befinden, denn momentan?
Wir verspüren in erster Linie große Erleichterung bei ihnen, dass sie jetzt einen Wohnplatz haben, den sie auf absehbare Zeit auch nicht verlassen müssen. Der Aufenthalt bei uns im Obdach Wurlitzergasse ist normaler Weise zeitlich relativ eng beschränkt, weil wir uns darauf spezialisiert haben, mit den Menschen sehr rasch Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Angesichts der Situation haben wir uns mit unserem Fördergeber, dem Fonds Soziales Wien, darauf verständigt, dass die Menschen jetzt einmal bis auf Weiteres hier bleiben können, wenn aktuell keine passenden Lösungen möglich sind. Darüber sind wir alle natürlich sehr glücklich.
Eure BewohnerInnen bewahren also Ruhe?
Allerdings! Sicherlich war es hilfreich, dass wir vor allem zu Anfang sehr intensiv und auch mehrsprachig darüber informiert haben, was Corona für sie bedeutet. Was uns besonders beeindruckt, ist, dass auch die psychisch kranken oder belasteten BewohnerInnen einigermaßen gut mit den neuen Gegebenheiten klar kommen. Das hätten wir so nicht unbedingt erwartet.
Es gibt aber etwas, das Dich noch mehr überrascht hat, stimmt’s?
Ja – die große Solidarität unter den BewohnerInnen! Sie haben sich sehr rasch organisiert, so dass nun die Fitteren für die weniger Fitten einkaufen gehen und sie zum Teil sogar bekochen, damit sie soweit wie möglich auf ihren Zimmern bleiben können. Dadurch ziehen momentan oft sehr verlockende Düfte durch die Gänge…
Über das Obdach Wurlitzergasse
Das Obdach Wurlitzergasse ist ein sogenanntes Chancenhaus. Der Einzug steht allen wohnungslosen Erwachsenen und Paaren offen. In der Regel können sie bis zu drei Monaten bleiben und mit intensiver sozialarbeiterischer Betreuung Perspektiven für ihre Zukunft entwickeln.
Babsy Trsek ist seit 2017 Teamleiterin im Chancenhaus Obdach Wurlitzergasse
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