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Interview

Betreuer seit der ersten Stunde

27. Januar 2020

Peter Schernhuber und August Korbl sind seit 30 Jahren mit Leib und Seele Betreuer im Obdach Gänsbachergasse. Sie geben im Gespräch Einblicke in ihren Alltag und erzählen über ein ganz besonderes Haus, dessen Eröffnung im Jahr 1990 einen wahren Meilenstein in der Wiener Wohnungslosenhilfe darstellte.

„Gustl“ und Peter sind unzertrennlich. Nahezu jeden ihrer Dienste haben sie in den vergangenen fast drei Jahrzehnten zusammen verbracht. Sie verstehen einander blind und arbeiten mit vereinten Kräften daran, jedeN einzelneN BewohnerIn im Obdach Gänsbachergasse bestmöglich zu unterstützen.

Wie war der erste Tag im Obdach Gänsbachergasse vor 30 Jahren?

Gustl: „Spannend. Denn unser Ziel war es, jeder Person, die Obdach braucht, eines zu geben. Erstmals konnten Frauen, Männer und Paare in einem Haus wohnen. Die Herbergen, die es davor gab, waren immer nur auf eine Zielgruppe ausgerichtet. Zudem gab es dort nur ein Mal pro Woche sozialarbeiterische Unterstützung. Bei uns gab es diese ab Tag eins. Das Obdach Gänsbachergasse ist ein Urgestein der Wiener Wohnungslosenhilfe in dem früher wie heute das Wohl der BewohnerInnen an oberster Stelle steht.“

Was brauchen ehemals wohnungs- oder obdachlose Menschen?

Gustl: „Obdach, Zuspruch und Unterstützung, um wieder auf einen guten Weg zu finden. Damals wie heute.“

Peter: „Sie brauchen Menschen, mit denen sie reden können, die Verständnis haben. Dafür sind wir da.“

Wie sieht euer Arbeitsalltag aus?

Peter: „Wir Betreuer arbeiten intensiv mit den SozialarbeiterInnen und den BewohnerInnen zusammen. Jeweils einE BetreuerIn und SozialarbeiterIn kümmern sich gemeinsam um 18 BewohnerInnen. Wir animieren und unterstützen die BewohnerInnen bei der persönlichen Zielsetzung, der Arbeitssuche und allem anderen, so gut es geht. Wir sind eine wichtige Anlaufstelle. In 30 Jahren haben wir gelernt, gut zuzuhören und auf die kleinsten Hinweise zu achten. Egal, ob sich jemand nur unterhalten will oder etwas Ernstes auf dem Herzen hat. Oft ist darüber reden schon eine Erleichterung.“

Habt ihr einen Lieblingsort im Haus?

Gustl: „Der Garten ist ein besonderer Ort. Dort kommt man als Betreuer gut ins Gespräch mit den BewohnerInnen, denn da ist jedeR irgendwann. Entweder zum Garteln, zum frische Luft schnappen oder zum Sonnen. Im Grünen herrscht eine besondere Stimmung und das Kontaktknüpfen geht leichter.“

Klingt so, als würde sich im Garten und im Haus viel abspielen.

Peter: „Richtig. Es gibt immer mehr und mehr Aktivierungs- und Tagesstrukturangebote, wie wir das nennen. Gartenarbeit, malen, wandern, Kinoabende, Ausflüge, Wuzzel- oder Tischtennisturniere, Training im Fitnessraum, etc.“

Gustl: „Das sind essentielle Aktivitäten! Damit erfahren die ehemals wohnungs- und obdachlosen BewohnerInnen wieder die positiven Seiten des Lebens. Sie können ihren Alltag damit gut strukturieren.

Peter: „Ich habe damals die Fußballmannschaft gegründet. Und das gerne! Denn es bereichert den Alltag der BewohnerInnen, motiviert sie, stärkt ihr Selbstbewusstsein und gibt ihnen einen positiven Blick auf die Zukunft. Vor dreißig Jahren gab es diese Angebote nicht, auch das Ausmaß und die Vielfalt haben sich gesteigert.“

Gustl: „Dass wir durch unsere Arbeit und diese Aktivitäten Menschen wieder auf einen guten Weg bringen können, motiviert wiederum uns. Das macht unsere Arbeit aus.“

Was sind die besten Momente?

Peter: „Ganz eindeutig die, in denen einE BewohnerIn eine Wohnung bekommt. Dann sind Freude und Dankbarkeit riesig. Manche kommen auch Jahre nach ihrem Auszug vorbei und bedanken sich, erzählen von ihrem Leben oder kommen – wie früher auch – auf einen Plausch vorbei. Wenn es jemand in die eigenen vier Wände geschafft hat, merken wir, wie viel Sinn unsere Arbeit macht. Dafür leben und arbeiten wir.“

Gustl, deine Pension steht kurz bevor. Was rätst du jungen KollegInnen, die im Obdach Gänsbachergasse anfangen?

Gustl: „Begegne jedem Menschen auf Augenhöhe, lerne zu verstehen, dass es jedem passieren kann, einmal in die Obdachlosigkeit zu rutschen. Mache viele Fortbildungen und bewahre in jeder Situation die Ruhe.“

Was ist wichtig für die nächsten 30 Jahre?

Peter: „Das Wichtigste ist, dass es das Obdach Gänsbachergasse weiterhin für diejenigen gibt, die es brauchen.“



Über das Obdach Gänsbachergasse

Wohnungslose Frauen, Männer oder Paare können sich hier auf das Leben in den eigenen vier Wänden vorbereiten. Dabei werden sie vom Team aus BetreuerInnen und SozialarbeiterInnen tatkräftig unterstützt. Die BewohnerInnen leben in Wohngruppen, können die Gemeinschaftsküche, den Hobby- oder Fitnessraum nutzen, im Garten oder der Bibliothek entspannen oder bei vielen Aktivitäten mitmachen.