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Blogbeitrag von Johannes Schett

„Vielleicht haben wir heute Nacht ein Leben gerettet“

16. August 2023

Seit Samstag, 12. August, ist das Tageszentrum Obdach Josi auch nachts für seine Besucher:innen da. Auslöser dafür waren die Angriffe auf Menschen ohne Obdach in den vergangenen Wochen. Wir haben beim Aufbau dieses wichtigen Angebotes viel Unterstützung erfahren. Ich möchte dafür Danke sagen und meine Erfahrungen aus der ersten Nacht im Schutzraum Josi teilen.

Es war eine ruhige Nacht, obwohl wir insgesamt rund 50 Besucher:innen hatten. Die Menschen sind entspannt hereingekommen. Viele waren schon informiert, warum das Tageszentrum Obdach Josi nun auch nachts offen hat. Sie haben sich etwas von den Lebensmitteln und Getränken genommen und einen Platz eingenommen, um sich auszuruhen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Mann mit einer Beinverletzung. Er war ruhig und zurückhaltend: „Die Bank reicht mir – vielleicht brauchen andere ein Bett im Ruheraum.“ Da ihn die Verletzung schmerzte und er keine entlastende Position fand, bot ihm nach einem kurzen Gespräch ein anderer Besucher seinen Bettplatz an. Wir haben ihm geholfen, in den Ruheraum zu kommen. Als er am Bett saß, zog er ein selbst gezeichnetes Bild aus dem Rucksack. „Fürs Büro - Danke“, sagte er und legte sich hin.

Ruhe finden

Um vier Uhr in der Früh, als es ganz still im Schutzraum war, sagte ein Kollege aus dem Obdach Josi -Team: „Vielleicht … Ich hoffe, wir haben heute Nacht jemandem das Leben gerettet!“ Das wird mir in Erinnerung bleiben. Nicht auf die laute, heroische Art, sondern ruhig und besonnen. Ich spürte, ihm geht es um die Menschen und um ihr Wohlergehen. Denn Obdachlosigkeit fordert Menschen körperlich sehr: Manche sind krank oder verletzt, alle sind müde. Im Schutzraum Obdach Josi konnten sie sich in dieser Nacht Ausruhen, ohne dass sie Angst haben mussten, vertrieben, bestohlen oder verletzt zu werden.

Das schaffen wir nur gemeinsam

Die Entscheidung, das Tageszentrum Obdach Josi nachts als Schutzraum zur Verfügung zu stellen, ist – gemeinsam mit unserem Mutterunternehmen und Fördergeber Fonds Soziales Wien – schnell gefallen. Wir alle waren überzeugt, dass wir jetzt und unmittelbar möglichste vielen Menschen, die aktuell auf der Straße nächtigen, einen Ort des Schutzes und der Ruhe anbieten müssen. Wir waren zu viert – zwei Freiwillige aus anderen Bereichen von FSW Obdach und zwei Mitarbeiter:innen aus dem Team des Obdach Josi. Meine Hochachtung gilt dabei den Kolleg:innen aus dem Team des Tageszentrums. Ohne ihre Erfahrung und Expertise wäre dieses Angebot nicht möglich. Das trifft auf alle bisherigen und zukünftigen Nächte im Schutzraum zu.

Die Kolleg:innen haben ihre Wochenendpläne gestrichen und waren spontan bereit, stattdessen für ihre Besucher:innen da zu sein. Als ausgebildeter Sozialarbeiter weiß ich, wie viel Wissen und auch was für ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen den Besucher:innen und auch in einem Team bestehen muss, um ein solches Angebot gut umzusetzen. Das Team von Obdach Josi und auch alle anderen Mitarbeiter:innen in unseren Einrichtungen verdienen Respekt und Wertschätzung dafür, was sie täglich ermöglichen.

Hinein in den Tag

Am Morgen haben wir die Besucher:innen geweckt. Es gab Kaffee, Kuchen, Brot und Obst, einiges davon gespendet. Besonders willkommen sind Geldspenden, denn mit ihnen können wir flexibel und schnell Hilfe anbieten, wo sie gerade gebraucht wird. Wir sagen Danke. Und wir spüren, dass die Gesellschaft nicht wegsieht.

Finanzen

Ihre Spende unterstützt die Arbeit von FSW Obdach und wird dort eingesetzt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Was tun?

Ich weiß, dass die Kolleg:innen in der Wohnungslosenhilfe, sei es bei der Straßensozialarbeit oder in den Einrichtungen, bereits verstärkt auf die Situation hinweisen und auch auf das Angebot des Schutzraums Josi verweisen.

Was man als Privatperson meiner Meinung nach tun kann: Solidarität zeigen und achtsam sein! Fragen, wenn man merkt, dass es jemandem auf der Straße nicht gut geht. Oder auch das Team von Obdach unterwegs informieren, damit sie nachfragen können.

Und ganz allgemein: Verständnis zeigen, dass es Menschen gibt, die kaum einen Ort haben, an dem sie ganz sicher sind. Anerkennen, dass es sich dabei um Menschen handelt, die eine Geschichte, Wünsche, eine Familie und Würde haben. Menschen, die Respekt verdienen. Nicht wegschauen und nach Möglichkeit helfen. Es sind auch die kleinen Schritte von Einzelnen, die Großes bewegen können.

Über Johannes Schett

Johannes Schett ist ausgebildeter Sozialarbeiter und seit Oktober 2022 bei FSW Obdach. Er ist in der Abteilung Organisation und Entwicklung für Projektentwicklung und Innovation zuständig.

Schutzraum im Obdach Josi

Das FSW- Tageszentrum Obdach Josi steht obdachlosen Menschen aktuell nicht nur untertags, sondern auch in den Abend- und Nachtstunden zur Verfügung: Der Schutzraum bietet rund 50 Menschen in den Stunden von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr sicheren Aufenthalt sowie Verpflegung.